Verbesserung auf organisatorischer wie privater Ebene
Gastbeitrag von Efrat Goldratt-Ashlag
Niemand wacht morgens auf und denkt „wie kann ich heute an der Arbeit meine Zeit verschwenden?“ Ich bin überzeugt, dass die allermeisten Leute zur Arbeit gehen, um einen Beitrag zu leisten und sich nützlich zu machen. Das schließt auch mit ein, dass sie sich verbessern wollen. Egal, welchen Beruf man heutzutage ausübt – man steht mit großer Sicherheit unter ständigem Druck, bessere Ergebnisse in kürzerer Zeit zu liefern, mit weniger Ressourcen und in höherer Qualität. Dies ist so gut wie überall die Realität und die Menschen tun ihr Bestes, um mitzuhalten.
Sie denken jetzt wahrscheinlich, dass ich wohl noch nie von Burnout und Widerstand gegen Veränderung gehört habe. Und natürlich haben Sie Recht, diese Dinge gibt es. Doch stellt sich die Frage, wo hier Ursache und Wirkung liegen.
Ist es nicht so, dass die meisten Leute anfänglich hart arbeiten und ihr Bestes geben wollten? Dass sie erst, nachdem sie (wahrscheinlich wiederholt) kaum oder gar keine Ergebnisse sahen, ihren Enthusiasmus verloren und der Veränderungsversuche überdrüssig wurden? Die ursprüngliche Motivation der allermeisten Leute ist es, sich zu bemühen und Verbesserung anzustreben. Wie kann es also sein, dass wir trotz des konstanten Verbesserungsdrucks und der Motivation der Menschen, ihr Bestes zu geben, nur selten Quantensprünge in der Leistung sehen, und die meisten Verbesserungsinitiativen nur recht beschränkte Resultate aufweisen?
Mein Vater, Dr. Eli Goldratt, glaubte, dass die Antwort darin liegt, was wir zu verändern versuchen. Er war der Meinung, dass die meisten Verbesserungsbemühungen zwar bei Dingen ansetzen, die tatsächlich einer Lösung bedürfen, aber dass die nur Symptome eines tieferliegenden Problems sind. Und solange man ein Symptom bekämpft, ohne das Kernproblem zu beheben, welches das Symptom verursacht, wird man allenfalls eine verschwindend kleine Verbesserung erhalten, denn das Kernproblem wird weiterhin das Symptom verursachen – trotz aller Bemühungen, es zu beseitigen.
Veränderungen in Unternehmen
Schauen Sie sich die meisten Unternehmen heutzutage an, werden Sie wahrscheinlich feststellen, dass mehrere Verbesserungsinitiativen gleichzeitig laufen. Es wird überall verbessert, wo etwas identifiziert wurde, das nicht optimal funktioniert.
Dies erinnert mich an eine Begebenheit vor vielen Jahren. Ein Journalist bat meinen Vater, seine Theory of Constraints in 5 Sätzen zu beschreiben. Er antwortete, dass er dazu keine 5 Sätze bräuchte, ein Wort reiche aus – Fokus. Sich auf alles zu fokussieren ist das Gleiche, wie sich auf nichts zu fokussieren.
Den nötigen Fokus, um in einer bestimmten Umgebung eine Veränderung vorzunehmen, erhalten Sie, wenn Sie die folgenden drei Fragen beantworten:
Was wollen Sie ändern? Identifizieren Sie das Kernproblem, das alle Symptome verursacht, unter denen Sie leiden.
Wohin soll die Veränderung führen? Entwickeln Sie eine gute Lösung; eine, die nicht nur das identifizierte Problem löst, sondern – nicht weniger wichtig – keine negativen Auswirkungen verursacht.
Wie erreichen Sie die Veränderung? Planen Sie die Details; verteilen Sie Verantwortlichkeiten, Zeitpläne usw.
Ein wohl durchdachter Plan mit angemessenen Puffern wird die Chancen einer erfolgreichen Implementierung erhöhen.
Bei Veränderungen in Unternehmen brauchen Sie oft das Einverständnis oder sogar die Mitarbeit anderer Leute. Da Menschen unterschiedliche Perspektiven und Motivationen haben, ist es nicht überraschend, dass geplante Veränderungen zu hitzigen Diskussionen führen können. Diese können in langwierige Meinungsverschiedenheiten ausarten, wo jede Seite auf ihrer Meinung beharrt und die andere Seite zunehmend wegen ihrer Sturheit und Unlogik verteufelt …
Die oben genannten drei Fragen der Veränderung können auch hilfreich sein, wenn in Buy-In-Diskussionen der Fokus fehlt. Wie hoch sind die Chancen, dass Sie sich auf eine Lösung einigen können, wenn Sie sich nicht einig sind, was das Problem ist? Und solange Sie sich nicht auf eine Lösungsrichtung einigen können, ist jede Diskussion über die Einzelheiten der Implementierung vollkommene Zeitverschwendung. Hier benötigen Sie also wieder Fokus:
erst Einigung übers Problem
dann über die Lösung
dann die Implementierung besprechen.
In vielen Umgebungen ist es keine triviale Aufgabe, eine Analyse durchzuführen, um das Kernproblem zu identifizieren, und das Erstellen einer guten und nachhaltigen Lösung ist nicht weniger aufwändig. In den über 30 Jahren ihrer Entwicklung hat die Theory of Constraints (TOC) daran einiges an Erfahrung gesammelt. Es wurden unterschiedliche Unternehmensumgebungen analysiert, das Kernproblem identifiziert und generische Lösungen entwickelt, um einfache und Multiprojektumgebungen, Liefer- und Vertriebsketten, Einzelhandel, Krankenhäuser und mehr zu managen. Hunderte Bücher sind über die TOC geschrieben worden; der Wissensschatz wächst stetig an. In letzter Zeit wurden neue Anwendungen vorgestellt zur Produktentwicklung, sowie diverse Implementierungen für Verwaltungen.
Theory of Constraints für den Einzelnen
Seit die TOC-Produktions-Lösung vor über 30 Jahren im Businessroman „Das Ziel“ vorgestellt wurde, haben die unternehmerischen Anwendungen der Theory of Constraints weltweite Bekanntheit erreicht. Doch nur wenige Leute wissen, dass die Anwendung der TOC auch dem Einzelnen offensteht.
Eine davon befasst sich mit der Berufswahl. Wenn man sich für eine Laufbahn entscheiden muss, stehen einem unzählige Möglichkeiten offen. Man kann Manager, Lehrer, Gärtner, Ärzte, Zauberer, Optiker werden… diese Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Hier wird also wieder Fokus benötigt, um zu bestimmen, für welchen Beruf man sich aus den unzähligen Alternativen entscheiden soll. Die Wahl einer Karriere fällt oft nicht leicht und es kann eine Weile dauern, bis man sich davon überzeugt hat, dass man die richtige Entscheidung getroffen hat.
Nach 20 Jahren Arbeitserfahrung mit jungen Leuten in den Anfangsstadien ihrer Karriere, sowie auch mit solchen, die im späteren Leben eine Zweitkarriere suchen, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es nicht darum geht, die einzig richtige Laufbahn zu finden.
Vielmehr geht es darum, den richtigen Bereich zu erforschen (ich nenne dies „den Diamantbereich“), innerhalb dessen so gut wie jeder Beruf der richtige sein kann. Hat man seinen Diamantbereich erst gefunden, dann spielen vor allem Umstände und Gelegenheiten darin mit, in welchem Beruf man schließlich landet. Daher kann es für jemanden, der gerade seine Berufslaufbahn wählt, sehr hilfreich sein, die richtigen Fragen zu kennen, um diesen persönlichen Diamantbereich zu bestimmen. Sie helfen ihm, systematisch darüber nachzudenken, was ihm wichtig ist; zu verstehen, worauf er in seiner Laufbahn achten sollte und wie er auch in Zukunft gute Entscheidungen treffen kann.
Workshop: Mit TOC zu einem erfüllten Leben
Efrat Goldratt-Ashlag wird am 8. November 2018 zur Vorveranstaltung für die TOC Anwenderkonferenz in Leimen bei Heidelberg einen Workshop zum Thema „Mit TOC zu einem erfüllten Leben“ leiten.
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© Efrat Goldratt-Ashlag
© Bild: KMBS
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