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AutorenbildUwe Techt

Die 7 Todsünden im Multiprojektmanagement .

1. Kampf um Ressourcen

In einer Multiprojekt-Organisation sind die Ressourcen immer knapp; der Work in Prozess (WIP) ist hoch; die Ressourcen haben mehr zu tun als sie leisten können. Zwangsläufig konkurrieren die Projekte (d.h. die Projektmanager) nun um die knappen Ressourcen.


Bitte versetzen Sie sich in die Situation eines Projektmanagers: 
  1. Sie erhalten von Ihrem Chef den Auftrag, ein Projekt zu managen.

  2. Die für das Projekt erforderlichen Ressourcen erhalten Sie lediglich theoretisch; während das Projekt läuft, müssen Sie (gegen andere Projekte) um die Ressourcen kämpfen.

  3. Sind Sie dabei erfolgreich, nehmen Sie dadurch einem anderen Projekt notwendige Ressourcen weg. Das andere Projekt wird langsamer; der andere Projektmanager ist der Verlierer. Er wird nicht begeistert sein. Und er wird versuchen, Ihnen die Ressourcen wieder zu nehmen.

  4. Sind Sie nicht erfolgreich, schadet das Ihrem Projekt. Sie sind der Verlierer.

  5. Ständig sind Sie damit beschäftigt, Ressourcen zu beschaffen und zu halten.

Bitte versetzen Sie sich in die Situation eines Ressourcenmanagers (Gruppen-/Abteilungsleiter): 
  1. Von Ihnen werden mehr Ressourcen angefordert als Sie haben.

  2. Welchen Projekten auch immer Sie die Ressourcen geben, die übrigen gehen leer aus: jede Entscheidung, die Sie treffen, ist – zumindest aus Sicht der Verlierer – falsch. Der jeweilige Verlierer ist nicht gut auf Sie zu sprechen.

Bitte versetzen Sie sich auch in die Situation eines Topmanager: 
  1. Immer wieder müssen Sie Prioritätsentscheidungen treffen zwischen Projekten, die alle wichtig sind.

  2. Ihre Organisation ist offenbar nicht in der Lage, sich selbst zu steuern.

  3. Ein Projekt, das gestern noch gut voran kam, steckt plötzlich fest; Schlüsselressourcen werden an anderer Stelle benötigt.

Wie steht es in dieser Organisation um das gegenseitige Vertrauen? 
  1. Projektmanager untereinander (die gegeneinander um Ressourcen kämpfen müssen)

  2. Projektmanager zu Ressourcenmanagern (die immer wieder zugunsten anderer Projekte entscheiden)

  3. Projektmanager zu Topmanagern (die Aufträge vergeben, aber die Mittel dazu nicht liefern; und die immer wieder zugunsten anderer Projekte entscheiden)

  4. Ressourcenmanager zu Projektmanagern (die schwere Geschütze im Kampf um die Ressourcen auffahren)

  5. Topmanager zu Ressourcen- und Projektmanagern (die es nicht selbst schaffen, die Konflikte im Tagesgeschäft zu lösen)

  6. Topmanager zu Ressourcenmanagern (die ständig nach neuen Stellen fragen)

Ist das produktiv? 
  • Wie viel Zeit und Energie verbrauchen Projekt-, Ressourcen- und Topmanager für den Kampf um Ressourcen bzw. für die Bearbeitung daraus resultierender Schwierigkeiten?

  • Wie oft bleiben Projekte dadurch stecken, dass die gerade notwendigen Ressourcen an etwas anderem arbeiten?

  • Welche weiteren Auswirkungen hat das gegenseitige Misstrauen der verschiedenen Management-Funktionen?

Es ist Verantwortung des Topmanagements, den Projekten die Ressourcen zu geben, die sich brauchen, um die Aufgaben, die sie im Auftrag des Topmanagements erfüllen sollen, erfüllen zu können; und zwar dann und in dem Umfang, wie sie benötigt werden. Kein Ressourcen- und kein Projektmanager kann diese Verantwortung übernehmen; sie können nur versuchen, die Schwierigkeiten abzumildern und schaffen dabei oft genug neue Probleme.

Welche weiteren Todsünden sollen auf die Liste der 7 Todsünden im Multiprojektmanagement?


2. Multitasking

Der Begriff Multitasking hat einen positiven Klang:

  • Ein multitasking-fähiger Prozessor ist toll.

  • Ein Manager, der viele Baustellen gleichzeitig im Blick hat und betreut, ist ein guter Manager.

  • Auch in der scherzhaften Aussage, das nur Frauen multitasking-fähig sind, ist Multitasking positiv besetzt.


Wer Multitasking als Belastung erlebt, an dieser Belastung leidet, durch sie seine Leistungsfähigkeit verliert, durch sie ausbrennt und erkrankt, war eben nicht stark genug für die Welt und für diese Aufgabe nicht geeignet. Ein neuer Mitarbeiter mit frischer Energie nimmt die Stelle ein … bis ihn ein ähnliches Schicksal ereilt.

Im Arbeits- und Projektalltag ist Multitasking nämlich nicht so toll. Meistens kommt es in der schädlichen Variante vor: eine Aufgabe A wird zugunsten einer Aufgabe B unterbrochen, weil B gerade wichtiger / dringender ist. Bevor B jedoch fertiggestellt ist, wird auch B unterbrochen – zugunsten von C oder A …


Multitasking

Multitasking entfaltet seine negativen Wirkungen nicht nur auf die Menschen, sondern auch auf die Arbeit selbst:

  • Wer zwischen mehreren Aufgaben hin und her wechselt, macht mehr Fehler (die später korrigiert werden müssen).

  • Wer zwischen mehreren Aufgaben hin und her wechselt, verbraucht mehr Arbeitszeit für jede davon betroffene Aufgabe (durch Setup-Zeiten sowie für Fehlerkorrektur).

  • Wechselt jemand nur zwischen zwei Aufgaben hin und her, kommt es wenigstens zu einer Verdopplung der Durchlaufzeit jeder dieser beiden Aufgaben.

Wo Multitasking gängige Praxis ist, sind die Projekte teurer als sie müssten (Setup, Fehlerbehebung) und dauern VIEL länger als sie müssten. Für die Effizienz des Ressourceneinsatzes und für die Geschwindigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens ist Multitasking tödliches Gift.

Das Unternehmen kann – ohne Multitasking – viel mehr mit den gleichen Ressourcen leisten und sehr viel schneller sein.


3. Aufwand vor Zeit

Unternehmen wollen, dass ihre Projekte das gewünschte Ergebnis mit möglichst geringem Aufwand erzielen. Das ist vernünftig: je geringer der Aufwand je Projekt, umso mehr Projekte kann das Unternehmen mit den vorhandenen Ressourcen realisieren.


Die Sache hat allerdings einen Haken, Denn: eine aufwandsoptimierende Planung und Steuerung bewirkt:

  1. Die einzelnen Projektvorgänge werden so mit Ressourcen ausgestattet, dass möglichst wenig Ressourcen benötigt werden.

  2. Projekt Manager versuchen, stets die jeweils „beste“ Ressource für ihr Projekt zu bekommen (weil diese es mit dem geringsten Aufwand schafft).

Das bewirkt:

  1. Vorgänge dauern (bereits im Plan) länger als nötig -> Projekte dauern (bereits im Plan) länger als nötig

  2. Vorgänge warten auf die „beste“ Ressource, statt mit einer langsameren, aber viel früher verfügbaren Ressource zu arbeiten.

  3. Vorgänger werden für fertig erklärt, obwohl sie es noch gar nicht sind. Das rächt sich später.

Je länger die Projekte dauern, umso

  • weniger Projekte schließt das Unternehmen pro Monat ab.

  • schlechter die Agilität und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Je weniger Projekte das Unternehmen pro Monat abschließt, umso weniger Ergebnis (Umsatz, Durchsatz, Gewinn) bringt die im Projekt eingesetzte Zeit.

Kurz gesagt: aufwandsoptimierende Planung und Steuerung sorgt dafür, dass die Projekte teuer werden und lang dauern. Die Erfahrung zeigt: Durchlaufzeit-optimierende Planung und Steuerung bewirkt, dass die Projekte schneller und günstiger werden.


4. Projektmanagement

Eine der tödlichsten Sünden im Multiprojekt-Umfeld besteht darin, ein Projekt in einer Multiprojekt-Umgebung so zu managen, als wäre es ein Einzelprojekt.

Nahezu jede Entscheidung, jede Handlung innerhalb eines Projekts hat Auswirkungen auf die anderen Projekte und damit die Organisation. Was für das einzelne Projekt gut ist, kann sehr  schlecht für andere Projekte und für das Unternehmen sein. Einige Beispiele:


  • Um schnell mit einer Software-Lösung online gehen zu können, lässt der Projektmanager „dirty hacks“ zu.

  • Um Kosten für das Projekt zu sparen, besteht der Projektmanager darauf, den besten (und damit schnellsten) Mitarbeiter für eine bestimmte Aufgabe zu bekommen.

  • Um so schnell wie möglichst fertig zu werden, wird das Projekt so früh wie möglich gestartet.

  • Um eine Verzögerung aufzuholen, sorgt ein Projektmanager dafür, dass Mitarbeiter Aufgaben in anderen Projekten unterbrechen.

Dennoch: Projektmanager werden aufgefordert, sich um „ihr“ Projekt zu kümmern und sie werden in erster Linie daran gemessen und danach beurteilt, wie ihr Projekt performt. Die Auswirkungen auf das Unternehmen werden dabei i.d.R. bestenfalls nachrangig berücksichtigt. So schneidet sich das Multiprojekt-Unternehmen ins eigene Fleisch.


5. Anfangen

Es mag paradox klingen: ANFANGEN ist eines der größten Probleme im Multiprojekt-Geschäft.

In einer typischen Multiprojekt-Organisation konkurrieren die Projekte und ihre Manager um knappe Ressourcen. Da jeder Projektmanager vorrangig für sein Projekt verantwortlich ist. muss er in dieser Konkurrenz gewinnen. Sehr oft entsteht so ein Kampf um Ressourcen.


Der Kampf um Ressourcen verlängert die Projekt-Durchlaufzeiten signifikant. Und er erzeugt – zumindest für einen signifikanten Teil der Projekte – Verspätungen.

Unter diesen Verspätungen leidet der (externe oder interne) Kunde wirtschaftlich und in seinem Ansehen. Der jeweilige Projektmanager wird (durch den Kunden sowie durch seinen eigenen Chef) für die Verspätungen verantwortlich gemacht, also leidet er auch. Den Vertriebsmitarbeiter, der dem Kunden das Projekt zu einem bestimmten Liefertermin versprochen, trifft ein ähnliches Schicksal: die Beziehung zu seinem Kunden verschlechtert sich; es wird schwieriger, diesem Kunden zukünftig Projekte zu verkaufen.

Aus diesem Grund entsteht ein hoher Druck, ein neues anstehendes Projekt möglichst schnell zu starten. Denn: Erst nachdem das Projekt gestartet ist, kann es am täglichen Kampf um die Ressourcen teilnehmen und hat einen gewissen zeitlichen Puffer dafür, in diesem Kampf auch immer mal wieder zu verlieren. Gute Idee.

ABER: Ein neues Projekt möglichst schnell zu starten erzeugt (wenigstens) zwei negative Nebeneffekte:


erster Nebeneffekt: Noch mehr Projekte sind gleichzeitig aktiv und konkurrieren um die Ressourcen. Dadurch gibt es noch mehr Multitasking, die Projektlaufzeiten werden noch länger, es gibt noch mehr Verspätungen … und der Druck, möglichst früh anzufangen, wächst weiter. Ein Teufelskreis.


WIP-Teufelskreis

zweiter Nebeneffekt: Die ersten wesentlichen Realisierungs-Aufgaben in einem Projekt erfordern üblicherweise sorgfältige und vollständige Vorbereitungen (z.B. Klärung der Spezifikationen). Sind diese Vorbereitungen unvollständig, bleibt die Mitarbeiter im Projekt nach kurzer Zeit stecken. Sie müssen dann auf die erforderlichen Klärungen warten und bearbeiten so lange ein anderes Projekt. So wird noch mehr schädliches Multitasking betrieben. Sind die Vorbereitungen fehlerhaft, pflanzt sich dieser Fehler im Projekt fort … und je weiter das Projekt voranschreitet, umso größer wird das Problem. Irgendwann fällt der Fehler (hoffentlich) auf und erzeugt erhebliche Korrekturen und Nacharbeiten.


Mit anderen Worten: ein neues Projekt so früh wie möglich zu starten – es schon mal anzufangen – erzeugt erhebliche Probleme für das Projekt und für das Unternehmen. Diese Probleme sind in der Regel sehr viel größer als der (vermeintliche!) projektindividuelle Nutzen des früheren Starts.

Ein Unternehmen, das seinen Workload bewusst steuert und die Projekte entsprechend staffelt (d.h. sie eher später startet) kann mit denselben Ressourcen sehr viel mehr Projekte fertigstellen als ein Unternehmen, das seine Projekte (möglichst) früh beginnt.


6. Ein Projekt geht noch

Die meisten Multiprojekt-Organisationen sind überlastet. Die Überlastung drückt sich aus in

  • Verspätungen,

  • langen Durchlaufzeiten,

  • Budgetüberschreitungen,

  • Abstriche an Spezifikationen,

  • Ressourcen Konflikten,

  • übermäßigem Stress

… also in schlechter Performance.


Manager spüren intuitiv diese schlechte Performance und denken – mit Recht – „da muss doch mehr gehen!“.

Diese Intuition und die Notwendigkeit, viel mehr Projekte / Projektergebnisse zu realisieren, erzeugt das nur allzu bekannte Management-Vorgehen „Ein Projekt geht noch“; ein weiteres Projekt (ich nenne es Projekt X) wird gestartet.

Und die Realität gibt dem Manager scheinbar recht:

  • Bleibt das Projekt X während seiner gesamten Laufzeit der Prioritätenliste ganz oben, wird es in „guter Zeit“ fertig … es hat noch reingepasst! (Das Verhalten war also „richtig“)

  • Verliert das Projekt seine Priorität, fragt auch niemand mehr danach. Es fällt nicht auf, dass es nicht mehr „reingepasst“ hat. Nur der Projektmanager muss sich vielleicht fragen lassen, warum er nicht erfolgreich war …

Dennoch: Durch „ein Projekt geht noch“ wird Kapazität verschwendet und werden Mitarbeiter „verbrannt“, das Vertrauen ins Management schwindet und die Performance der Organisation sinkt.


7. Berichte

Einer der größten Performancekiller im Projektgeschäft ist die Praxis, Projektmanager Berichte schreiben zu lassen – für das eigene übergeordnete Management.

  • Die Zeit, die ein Projektmanager benötigt, um Berichte zu schreiben, fehlt ihm für seine eigentliche Aufgabe, nämlich das Projekt zu managen, d.h. mit dem Kunden zu kommunizieren, die am Projekt arbeitenden Mitarbeiter zu unterstützen, Probleme zu lösen, …

  • Die Regeln des umgebenden Systems (Unternehmen) zwingen Projektmanager dazu, „politisch“ zu berichten.

Beispiele:

  • Bei Abweichungen, Problemen, Schwierigkeiten muss ein Schuldiger benannt werden, damit klar ist: der Projektmanager ist nicht schuld an dem Problem, konnte es auch nicht vorhersehen und vorbeugen.

  • Gleichzeitig darf aber nicht zu sehr Fingerpointing betrieben werden, weil dadurch wichtige Beziehungen gefährdet werden.

  • Sowie ein Projekt „gelb“ oder „rot“ ist, steht es im Fokus des Topmanagements. Deshalb könnten Projektmanager dazu neigen, ihr Projekt möglichst lange als „grün“ zu bezeichnen. In Wirklichkeit sind diese Projekte „melonengrün“: je tiefer man bohrt, umso roter werden sie.

  • Oft müssen Projektmanager übertreiben, um die notwendige Handlung oder Entscheidung des Managements zu bewirken.

Anders gesagt: Projektmanager sind gezwungen, in den Berichten zu taktieren und – um gut dazustehen und ihr mit dem Bericht verbundenes Ziel zu erreichen – die Wirklichkeit zu färben, oft sogar den Boden der Tatsachen zu verlassen.

Das wiederum bewirkt, dass Manager den Berichten gar nicht so richtig trauen können. Aus diesem Grund fordern sie mehr und detaillierte Berichte. Ein Teufelskreis! Je größer, komplexer, etablierter das Unternehmen umso stärker sind die „Berichtswucherungen“ ausgeprägt: Viele und große Bericht … und trotzdem hat das Management nicht genau die Informationen, die es tatsächlich benötigt. Je mehr Berichte, umso mehr Besprechungen, in denen Berichte präsentiert, diskutiert, hinterfragt, zerrissen und verteidigt werden müssen. Folge: noch weniger Zeit für die eigentliche, wertschöpfende Arbeit der Beteiligten.

Hocheffektive Multiprojekt-Organisationen brauchen keine Berichte, um die Arbeit der Ressourcen, der Projekt- und Ressourcenmanager sowie des übergeordneten Managements zu fokussieren und zu priorisieren, sondern können den – für alle Beteiligten gleichen – Fokus jederzeit aus einem einfachen Steuerungssystem ablesen.


Die Folgen: Mehr Zeit für die eigentliche Arbeit. Weniger Reibungsverluste durch widersprüchliche Prioritäten. Höhere Geschwindigkeit und höhere Produktivität.


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