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Der Nutzen der Verbesserung

Autorenbild: Uwe TechtUwe Techt

Aktualisiert: 19. Aug. 2024

Zwei Goldfischgläser und ein Goldfisch springt aus einem Glas in eines mit drei weiteren Goldfischen.

„Mehr Transparenz“ ist meiner Erfahrung nach die meistgenannte Motivation, ein neues Multiprojekt-Managementsystem einzuführen, ebenso wie ein oft genannter „Erfolg“ nach der Implementierung. Aber ist Transparenz Selbstzweck? Oder ist sie nicht eher das Mittel zum eigentlichen Zweck?

Es lohnt sich, dieser Frage nachzugehen, um Enttäuschungen zu vermeiden, denn eine Veränderung kann keine durchbrechenden Erfolge bringen, wenn wir die falschen Ziele verfolgen. Was also steckt hinter dieser so oft gewünschten „Transparenz“?

Ich erinnere mich noch gut an die Anforderung, die ein Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens mir gegenüber vor einigen Jahren formuliert hat:

  1. Wir haben unseren Kunden versprochen, dieses Jahr Anlagen im Wert von 135 Mio. € zu liefern. Nach jetzigem Erkenntnisstand schaffen von 130 Mio. €. Für die deshalb entstehenden und bereits entstandenen Verspätungen zahlen wir ca. 0,5 Mio. € Vertragsstrafen. Das ist zwar nicht gut, aber Gewinn machen wir trotzdem.

  2. Für nächstes Jahr haben wir bereits Anlagen im Wert von 170 Mio. € verkauft (+ 5 Mio., die wir ins nächste Jahr verschieben). Unsere Kapazität ist – wie wir dieses Jahr sehen – 130 Mio. €. Am Markt bekommen wir z.Zt. nicht die Mitarbeiter, die wir brauchen. Und selbst, wenn wir sie bekommen könnten, wären sie erst in der zweiten Hälfte nächsten Jahres kapazitätswirksam.

  3. Ich beobachte zunehmend, dass Projekte sich um Ressourcen streiten, dass Mitarbeiter zwischen verschiedenen Projekten hin und her springen und dass die Schuld für Probleme bei anderen gesucht wird. Immer öfter muss ich ins Tagesgeschäft eingreifen und Entscheidungen treffen.

Meine Anforderungen an ein neues Multiprojekt-Management sind daher:

  1. Selbststeuerung, d.h. wenig Eingriff der Geschäftsführung in das Tagesgeschäft erforderlich

  2. Klima der Zusammenarbeit, an einem Strang ziehen

  3. Mehr Projekte mit den gleichen Ressourcen pro Jahr fertigstellen

  4. Zuverlässige Lieferung (von 30% auf > 90% – und das ohne Kompromisse bei der Qualität)

  5. Kürzere Projektlaufzeiten (von 18 auf 9 Monate durchschnittliche Projektlaufzeit)

Das waren sehr klare Anforderungen, deren Erfüllung messbar ist (zumindest die Anforderungen 3, 4 und 5).


Diese Erfahrung hat mich seitdem dazu veranlasst, jedes Mal genauer nachzufragen, worum es in Wirklichkeit geht. Dieses genauere Nachfragen hat den Wunsch nach „mehr Transparenz“ oft umgewandelt in den Wunsch nach „sehr viel besserer Performance“. Dies erscheint auch offensichtlich: ein Unternehmen, das optimal läuft und keinen Verbesserungsbedarf sieht, hat keinen Grund, seine Arbeitsweisen unter die Lupe zu nehmen. Die angebliche Transparenz ist also nur ein Mittel, Durchblick und Kontrolle zu erhalten, um die Mitarbeiter zu besserer Leistung anzutreiben.

Es lohnt sich also, diesen Wunsch nach Transparenz zu hinterfragen und das tatsächliche Problem zu identifizieren, bevor weitläufige Veränderungen vorgenommen und neue Systeme eingeführt werden. Denn Transparenz an sich kann nichts bewirken, so lange man nicht weiß, wonach man sucht. Es kann sogar nach hinten losgehen. Geht man zum Beispiel von der (falschen) Annahme aus, „die Optimierung eines Teils führt zur Optimierung des Ganzen“ und benutzt das Multiprojekt-Management-System dazu, akribisch die Fertigstellungstermine einzelner Aufgaben zu überwachen, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn das zu keinerlei Verbesserung der Fertigstellungstermine führt.

Bei genauerem Nachfragen stellt man sogar oft fest, dass das Problem von vorneherein bekannt ist – die „Transparenz“ also nur ein Vorwand, notwendige Veränderungen vorzunehmen.


Dies wird schön durch ein anderes Gespräch illustriert, dem ich einmal beiwohnte. Die Gesprächspartner waren der PMO-Leiter eines nicht gerade kleinen Unternehmens sowie eine Kollegin von mir, die wenig mit Projektmanagement zu tun hat. Das Gespräch fand beim Mittagessen statt. Zuerst wollte ich mich einmischen; aber als ich merkte, wohin sich das Gespräch bewegte, habe ich lieber zugehört.

PMO: Kennen Sie jemanden, der uns neutral bei der Auswahl eines guten MPM-Systems beraten kann?

Kollegin: MPM? Also Multiprojekt-Management?

PMO: Ja, wir brauchen einen besseren Überblick über die Projekte, ihren Fortschritt und die Schwierigkeiten.

Kollegin: Darf ich daraus ableiten, dass die Projekte nicht so laufen, wie Sie es sich vorstellen?

PMO: Ja, das ist richtig. Es gibt Verspätung, Budgetüberschreitungen, … wie es in Projekten eben so ist.

Kollegin: Was Sie also erreichen wollen, ist, dass die Projekte besser laufen, pünktlich sind, mit dem Budget auskommen, usw.?

PMO: Richtig!

Kollegin: Und die Projekte laufen nicht gut, weil Ihnen der Überblick über die Projekte fehlt?

PMO: Natürlich nicht, aber dann könnte ich vielleicht besser erkennen, wo das Problem liegt…. Naja, eigentlich weiß ich ja, wo das Problem liegt.

Kollegin: Ja?

PMO: Ja! Wir haben einfach zu viele Projekte gleichzeitig. Gleichzeitig brauchen wir immer wieder dieselben Schlüsselpersonen. Die Projekte kommen sich gegenseitig in die Quere.

Kollegin: Und warum machen Sie dann nicht einfach weniger Projekte gleichzeitig?

PMO: Weil die Geschäftsführung immer meint, dass wir doch mehr leisten können müssten. Und ich muss der Geschäftsführung zeigen, dass das nicht geht.

Kollegin: Sie brauchen also das neue System, um der Geschäftsführung zu zeigen, dass zu viele Projekte gleichzeitig laufen.

PMO: Ja.

Kollegin: Und dann wird die Geschäftsleitung handeln? Neue Mitarbeiter einstellen? Oder weniger Projekte starten?

PMO: Hm, überzeugt bin ich davon noch nicht.

Kollegin: Und dennoch wollen Sie ein neues System einführen?

PMO:


Hier wäre also dem Unternehmen viel mehr geholfen, wenn das Multiprojektmanagement-System darauf ausgerichtet wäre, das bereits bekannte Problem zu beheben, anstatt die bereits bekannten Symptome aufzuzeigen und erst dann die notwendigen Veränderungen zu planen. Es wäre daher im oben genannten Beispiel sinnvoll, folgende (messbaren) Anforderungen zu stellen:

  1. Wie viele Projekte werden wir durch das neue MPM mehr liefern? Werden mehr Projekte pro Monat fertig als vorher?

  2. Macht es die Projekte zuverlässiger? Halten sie ihre Termine ein? Kommen sie mir ihren Budgets besser aus? Erfüllen sie besser die vereinbarten Spezifikationen?

  3. Streiten sich die Projekte – während der Projektrealisierung – weniger um Ressourcen?

  4. Wird es unsere Marktposition verbessern? Wie viele Projekte haben wir durch das neue MPM mehr verkauft?

  5. Wird das Vertrauen der Mitarbeiter in ihre Führungskräfte steigen? Gehen die Mitarbeiter und Führungskräfte morgens lieber in die Arbeit?

Zugegeben: Werden solche Anforderungen gestellt und wird der Erfolg mit solchen Fragen ermittelt, könnte es gelegentlich ziemlich anstrengend werden. Die unternehmerische Zugkraft solcher Überlegungen ist allerdings auch größer als „mehr Transparenz“. Es lohnt sich also, diesen zusätzlichen Schritt vor der Veränderung durchzuführen, um einen wirklich durchschlagenden Erfolg zu erzielen. Es ist keinem dabei geholfen, wenn die unangenehmen Fragen in die Zukunft verschoben werden.



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